Skip to main content

Privatheit in der Datenwirtschaft – Ist unser Verhalten tatsächlich widersprüchlich?

Presseinformation Forum Privatheit, 26. Oktober 2017

Während Verbraucher in Befragungen einerseits betonen, wie wichtig ihnen Privatheit ist, geben sie im Internet andererseits freigiebig persönliche Informationen preis. Wie ist dieses scheinbar paradoxe Verhalten zu erklären? Wissenschaftler des Forschungsverbunds „Forum Privatheit“ gehen dieser Frage auf der Jahreskonferenz des „Netzwerk Verbraucherforschung“ nach – und zeigen auf, welche gewichtige Rolle die Strukturen der Datenökonomie dabei spielen.

Gerade im Bereich neuartiger Datenindustrien besteht ein systematisches Ungleichgewicht zwischen den Möglichkeiten der Anbieter zur Einflussnahme und denen der Verbraucher, damit umzugehen: Während große Konzerne wie Google oder Facebook Top-Anwälte und die besten Software-und Marketing-Spezialisten beschäftigen, wissen Verbraucher oft nur wenig über technische Abläufe, Geschäftsmodelle und die Rechtslage. Kosten-Nutzen-Abwägungen sind für sie daher schwierig: „Der oder die Einzelne muss bei der Nutzung von Plattformen und Diensten eine Balance finden zwischen den entstehenden Kosten, also der notwendigen Preisgabe von persönlichen Daten einerseits und dem erhofften Nutzen andererseits, zum Beispiel in Form von Bequemlichkeit. Dabei fällt die Entscheidung häufig zu Ungunsten des eigenen Datenschutzes aus, weil die potenziellen Gefahren meist unklar sind. Auch liegen sie weit in der Zukunft, während der Nutzen konkret und gegenwärtig ist“, erläutert die Medienpsychologin Prof. Dr. Nicole Krämer von der Universität Duisburg-Essen das Dilemma der Verbraucher.

Scheinbar paradoxes Verbraucherverhalten kann nicht individuell gelöst werden

Und selbst wenn die Kompetenzen der Verbraucher wachsen, besteht gegenüber den immer ausgefeilteren Datensammel-Methoden der Industrie noch eine hohe Diskrepanz. „Einerseits ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass die Verbraucher neben ihrem beruflichen und privaten Alltag zusätzlich noch die Zeit finden, um Internet-Spezialisten zu werden. Andererseits kann sich heute praktisch niemand mehr der Internet-Nutzung entziehen. Deshalb geraten hier etablierte Selbstbestimmungsmechanismen, wie z.B. die informierte Einwilligung, unter Druck: Es ist allseits bekannt, dass in der Praxis niemand die AGBs liest, bevor in die Verarbeitung der eigenen Daten eingewilligt wird“, so der Soziologe Dr. Carsten Ochs von der Universität Kassel. Ergänzend erläutert Prof. Dr. Jörn Lamla, ebenfalls Soziologe und Direktoriumsmitglied des interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentrums für Informationstechnik-Gestaltung der Universität Kassel: „Selbstbestimmung funktioniert im digitalen Zeitalter kaum noch ohne personenbezogene Datenproduktion und -veröffentlichung. Die Frage ist daher, ob das scheinbar paradoxe Verbraucherverhalten tatsächlich den Individuen zugerechnet werden kann – oder ob es nicht vielmehr in die Strukturen der Datenökonomie selbst eingebaut ist.“

Gefragt ist eine effektive Organisation der Verbraucherinteressen

Nötig ist daher für Lamla eine effektive Organisation der Anliegen und Interessen der Verbraucher, die im Bereich der Datenökonomie jedoch erst am Anfang steht. Die öffentliche Problemdebatte komme nur schleppend in Gang. Lamla ergänzt: „Wenn wir nachhaltige, langfristig funktionierende digitale Gesellschaften haben wollen, werden wir uns stärker Gedanken über die Funktionsweise der Datenwirtschaft machen müssen. In diesem Zusammenhang wird es unerlässlich sein, größere Teile der Bevölkerung an den Problemdebatten sowie entsprechende Stakeholder an der IT-Gestaltung zu beteiligen.“

Veranstaltungshinweis:

Jahreskonferenz des „Netzwerk Verbraucherforschung“: Paradoxien des Verbraucherverhaltens

Vortrag Prof. Dr. Jörn Lamla, Dr. Carsten Ochs, Univ. Kassel, sowie Prof. Dr. Nicole Krämer, Johanna Schäwel, M.Sc., Univ. Duisburg-Essen, am 26. Oktober 2017, 12 – 13 Uhr: „Psychologische Aspekte des privacy paradox beim Online-Shopping“ (Krämer/Schäwel) sowie „Gesellschaftlicher Widerspruch oder ‚privates‘ Paradox? Selbstbestimmungspraktiken in der Datenökonomie“ (Lamla/Ochs).

Im vom BMBF geförderten Forum Privatheit setzen sich Expertinnen und Experten aus sieben wissenschaftlichen Institutionen interdisziplinär mit Fragestellungen zum Schutz der Privatheit auseinander. Das Projekt wird vom Fraunhofer ISI koordiniert. Weitere Partner sind das Fraunhofer SIT, die Universität Duisburg-Essen, das Wissenschaftliche Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG) der Universität Kassel, die Eberhard Karls Universität Tübingen, die Ludwig-Maximilians-Universität München sowie das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein.

Ansprechpartner/inne/n:

Professor Dr. Jörn Lamla

Universität Kassel
Professor für Soziologische Theorie
Wissenschaftliches Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung (ITeG)
Nora-Platiel-Str. 5

34109 Kassel
Tel.: +49 561 804-2185

E-Mail: lamla@uni-kassel.de

 

Dr. Carsten Ochs
Universität Kassel
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Soziologische Theorie
Untere Königsstraße 71
34117 Kassel
Tel.: +49 561 804-7540
E-Mail: carsten.ochs@uni-kassel.de

 

Johanna Schäwel, M. Sc.

Universität Duisburg-Essen
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Sozialpsychologie
Forsthausweg 2
47057 Duisburg
Tel.: +49 203 379-2345

E-Mail: johanna.schaewel@uni-due.de

 

Barbara Ferrarese, M.A.

Presse und Kommunikation „Forum Privatheit“
Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Breslauer Str. 48
76139 Karlsruhe
Tel.: +49 721 6809-678
E-Mail: presse@forum-privatheit.de

https://www.forum-privatheit.de/forum-privatheit-de/index.php
Twitter: @ForumPrivatheit

CPDP Panel des Forum Privatheit zu “Conversational Agents”

Das Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt hat bei der jährlichen Konferenz “Computer, Privacy and Data Protection” (CPDP 2017) eine Paneldiskussion zum Thema “CONVERSATIONAL AGENTS: A THREAT TO PRIVACY?” organisiert.

Vortragende waren Hamza Harkous, École Polytechnique Fédérale de Lausanne (CH), Ewa Luger, Design Informatics Group, University of Edinburgh (UK), Astrid Rosenthal-van der Pütten, University of Duisburg-Essen (DE), Michael Schlüter, GfK (UK), Moderator:  Max Braun, University of Hohenheim (DE)

 

“Seven types of Privacy” discussed at CPDP 2017

At this year’s Conference “Computers, Privacy and Data Protection” (CPDP 2017), I discussed typologies of privacy in a panel organised by Bart-Japp Koops.

Revisited work done in the PRESCIENT project some time ago and made clear that typologies are not an end in themselves but are useful instruments to structure the thinking about social phenomena and therefore need to be updated regularly.

VideoPresentation slides (2017) and Original Paper authored together with Rachel Finn and David Wright (2013)

 

Vortrag “Datenschutz-Folgenabschätzung” (7/4/2016)

Beim 5. Speyerer Forum zur digitalen Lebenswelt am  7/8. April 2016 in Speyer referiere ich zum Thema Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA):

  • Datenschutzfolgenabschätzung und Risikoansatz in der EU-DS-GVO
  • Elemente eines Prozesses für die Datenschutzfolgenabschätzung
  • Datenschutzfolgenabschätzung und Standard-Datenschutzmodell

Zum Thema DSFA wird das Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt in Kürze auch ein White Paper veröffentlichen.

Vortrag: Datenschutz-Folgenabschätzung (25/1/2016)

Beim GDD-Winter-Workshop im Januar 2016 in Garmisch-Partenkirchen referiere ich zum Thema Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA):

  • Datenschutzfolgenabschätzung und Risikoansatz in der EU-DS-GVO
  • Elemente eines Prozesses für die Datenschutzfolgenabschätzung
  • Datenschutzfolgenabschätzung und Standard-Datenschutzmodell

Zum Thema DSFA wird das Forum Privatheit und selbstbestimmtes Leben in der digitalen Welt in Kürze auch ein White Paper veröffentlichen.

Just published: “Factors influencing citizens’ attitudes towards surveillance oriented security technologies”

Friedewald, Michael, and Marc van Lieshout, “Factors influencing citizens’ attitudes towards surveillance oriented security technologies“, in Constanze Scherz, Tomáš Michalek, Leonhard Hennen, Lenka Hebáková, Julia Hahn, and Stefanie Seitz (eds.), The Next Horizon of Technology Assessment: Proceedings from the PACITA 2015 Conference in Berlin, Technology Centre ASCR, Prague, 2015, pp. 259-264.

Just published: Privacy and Security Perceptions of European Citizens: A Test of the Trade-off Model

Friedewald, Michael, Marc van Lieshout, Sven Rung, Merel Ooms, and Jelmer Ypma, “Privacy and Security Perceptions of European Citizens: A Test of the Trade-off Model“, in Jan Camenisch, Simone Fischer-Hübner, and Marit Hansen (eds.), Privacy and Identity Management for the Future Internet in the Age of Globalisation: 9th IFIP WG 9.2, 9.5, 9.6/11.7, 11.4, 11.6/SIG 9.2.2 International Summer School, Patras, Greece, September 7-12, 2014, Revised Selected Papers, Springer, Heidelberg, Berlin, 2015, pp. 39-53. DOI: 10.1007/978-3-319-18621-4_4

This paper considers the relationship between privacy and security and, in particular, the traditional ”trade-off” paradigm that argues that citizens might be willing to sacrifice some privacy for more security. Academics have long argued against the trade-off paradigm, but these arguments have often fallen on deaf ears. Based on data gathered in a pan-European survey we show that both privacy and security are important to European citizens and that there is no significant correlation between people’s valuation of privacy and security.